Die »Teilearbeit mit Holzfiguren« nach Alfons Aichinger habe sie überzeugt und begeistert, sagt Schilling. Die Begeisterung war ansteckend: seit 2016 haben sich weitere Mitarbeitende ihres Erziehungsberatungsteams in dieser Methode ausbilden lassen. Sie ermöglicht die plastische und greifbare Darstellung problematischer Situationen mit Hilfe von Figuren.
Foto: © Jens Werner, reflexion das photoatelier
In der Trennungs- und Scheidungsberatung ermöglicht dies Eltern, auf spielerische Weise die Perspektive der Kinder einzunehmen. Kinder können durch die Tierfiguren ihre Gefühle und Bedürfnisse darstellen, ohne befürchten zu müssen, dadurch ein Elternteil zu verletzen. Welches Tier wärst du, wenn du ein Tier wärst? So lautet meist die einleitende Frage der Beraterin an das Kind. Auch die Eltern und andere wichtige Personen im Leben des Kindes können von diesem als Tiere in das Spiel einbezogen werden. An einem Beispiel ist dies schön erkennbar: Hier hat das Kind – stellvertretend für sich – den Hasen gewählt, für die Mutter den großen Hund, für den Vater den Löwen. Im Vordergrund der Aufstellung sieht man die Anordnung der Tiere nach Intervention durch die Beraterin: Neben der Hasenfigur stehen nun beide Elternanteile – visualisiert durch eine junge Hündin und einen jungen Löwen. Dies verdeutlicht besser als viele Worte, dass das Kind auch nach der Trennung der Eltern für immer beide Anteile an seiner Seite hat. Ein Bild, das Kind und Eltern als stärkende Ressource für ihre Beziehung mitnehmen können.
Foto: © Jens Werner, reflexion das photoatelier
Sybille Schilling berichtet: „Kinder werden in unserer Erziehungsberatung auch vorgestellt, weil sie durch ein bestimmtes Verhalten im Kindergarten oder in der Schule auffallen. Dann fragen wir beispielsweise: ‘Wenn deine Wut zum Vorschein kommt, was ist das dann für ein Tier?’ Viele Kinder wählen dann den Drachen als Tier für ihre Wut.“ Wenn der Drache da steht, für die Wut und den Ärger, können die Beratenden zusammen mit dem Kind schauen: Wann erscheint der Drache? Was besänftigt ihn? Was ist seine gute Funktion? „Er kann zum Beispiel beschützen, Respekt verschaffen und so weiter. Es ist wichtig, diese positiven Eigenschaften, für die der Drache auch steht, zu würdigen“, betont Schilling. „So kann der Drache mit all seinen Persönlichkeitsfacetten integriert und seine wichtigen Botschaften können gehört werden.“ Es soll nicht darum gehen, aggressive Gefühle und störendes Verhalten des Kindes einfach abzustellen. Sondern vielmehr darum, das auffällige Verhalten als für das Kind funktionell und wichtig wahrzunehmen. Die Rückmeldungen an die Eltern aus einem solchen Spiel können ihnen die Augen dafür öffnen, wie es ihrem Kind geht und was es braucht.
Sybille Schilling, Leiterin des Beratungszentrums Ost in Rodgau, erklärt die Beratungsmethode mit TierfigurenFoto: (c) Caritasverband Offenbach
Auch Jugendliche kann man durch die Aufstellungsarbeit mit Tierfiguren erreichen. Erwachsenen, Eltern, Paaren und Einzelpersonen hilft es, Gefühle und innere Persönlichkeitsanteile auszudrücken. Ebenso lässt sich die Beziehung zueinander mit den Figuren gut aufzeigen: Wie stehen wir zueinander? Schauen wir in die gleiche oder in verschiedene Richtungen? Solche und ähnliche Fragen helfen, die Beziehung im wahrsten Sinne des Wortes klarer zu sehen. „Klienten berichten, dass sie durch die Tierfiguren viel besser sehen und verstehen können, was im Miteinander schief läuft und wo sie sich eine Veränderung wünschen. Über die vielen positiven Erfahrungen mit dieser Methode freuen wir uns – das motiviert uns, sie weiterhin einzusetzen“, sagt Sybille Schilling.
Aus dem Jahresbericht 2019 des BZ-Ost – Zahlen und Fakten:
Im Beratungszentrum Ost mit dem Einzugsgebiet Rodgau, Seligenstadt, Hainburg, Mainhausen und Rödermark stieg im Jahr 2019 die Nachfrage für Beratungen in der Erziehungsberatung um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr.
Erziehungsberatung:
- 461 Erstgespräche, 162 laufende Fälle; insgesamt wurden 623 Kinder bzw. Jugendliche aus 580 Familien beraten.
- Gefährdungseinschätzungen nach §8a SGB VIII: 22.
- Die meisten Kinder waren zwischen sechs und neun Jahre alt.
- Am häufigsten leben die Kinder in einer Familie mit einem weiteren Geschwister. Einzelkinder bilden die zweigrößte Gruppe.
- Knapp 30 Prozent der Eltern haben einen Migrationshintergrund.
Begleiteter Umgang:
- Im Jahr 2019 wurden im Beratungszentrum Ost neun neue Umgänge nach Herausnahme der Kinder aus ihren Herkunftsfamilien durchgeführt. Sechs Umgänge wurden aus dem Vorjahr übernommen und sechs wurden im Laufe des Jahres 2019 abgeschlossen.
Ehe-, Familien- und Lebensberatung:
- 90 Erstgespräche, 28 Fälle aus dem Vorjahr übernommen und 72 Fälle im Jahr 2019 abgeschlossen.
Schuldnerberatung:
- Anstieg der Ratsuchenden 2019 in der Schuldnerberatung um 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
- Viele außergerichtliche Vergleiche durch die gute wirtschaftliche Situation im Jahr 2019 und die damit verbundene, niedrige Arbeitslosenzahl.
- 686 Ratsuchenden in der Schuldnerberatung, 492 ohne Insolvenzverfahren.
- In 194 Fällen war eine qualifizierte Insolvenzberatung notwendig, die dann in 85 Fällen nach sorgsamer Abwägung in die Beantragung eines Insolvenzverfahrens mündete.