Sie haben Plakate angefertigt, um ihren Protest gegenüber der Stadt Offenbach farbenfroh und aufmerksamkeitsstark zum Ausdruck zu bringen: Eine große Gruppe von Seniorinnen und Senioren des Caritaszentrums wollen den »Aktionstag Inklusion« besuchen, zu dem der Behindertenbeirat der Stadt Offenbach und die Volkshochschule am 5. Mai auf den Aliceplatz eingeladen haben. Dort möchten sie den Erhalt der ÖPNV-Anbindung an das Caritaszentrum und damit Teilhabe einfordern. Um in die Offenbacher Innenstadt zu gelangen, nehmen sie den Bus 106. Begleitet werden sie von Mitarbeitenden des Zentrums.
Noch fährt die Buslinie 106 Fahrgäste direkt vom Caritaszentrum bis in die Innenstadt. Die Haltestelle »Caritas/Buchrainweiher« in der Wendeschleife an der Schumannstraße ist nur etwa 30 Meter vom Eingang des Altenpflegeheims St. Elisabeth entfernt und damit auch für gehbehinderte Bewohnerinnen und Bewohner gut erreichbar.
„Für unsere noch mobilen Seniorinnen und Senioren bedeutet diese Anbindung ein Stück selbstbestimmtes Leben“, so Einrichtungsleiterin Stephanie Kaprol. Einige nähmen fast täglich den Bus, um im Stadtteil oder in der Innenstadt Besorgungen zu erledigen, auch ohne Begleitung. Andere entschieden spontan nach Befinden und Wetterlage, ob sie sich nach draußen trauen sollten. Fakt ist: Die allermeisten von ihnen sind auf eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl angewiesen.
Sowohl mit dem Rollator als auch mit dem Rollstuhl sei es viel einfacher, über die ausklappbare Rampe in den Niederflurbus zu gelangen, als sich in ein enges Taxi zu zwängen. Von den Kosten mal ganz abgesehen. „Für die behindertengerecht ausgebaute Haltestelle am Caritaszentrum sind wir wirklich dankbar“, sagt Kaprol.
Doch was wird, wenn dieser Halt wegfällt? Wenn es nach dem Willen der Stadt geht, soll die Linie 106 im Zuge von Einsparplänen ab Juli dieses Jahres gestrichen werden. Die Entscheidung soll am 19. Mai in der Stadtverordnetenversammlung fallen. »Ohne die 106 sehen wir ziemlich alt aus« steht als Antwort auf gedruckten Flyern, die die Seniorengruppe zum Aktionstag ebenfalls mitnimmt.
Denn die von der Stadt als zumutbar angesehene Alternative ist die Haltestelle »Bert-Brecht-Straße« an der Sprendlinger Landstraße, einer Ausfallstraße. Etwa 800 Meter vom Caritaszentrum entfernt. „Für unsere Senioren de facto nicht erreichbar“, urteilt Kaprol. Der Weg dahin führt über die abschüssige Schumannstraße durchs Gewerbegebiet, streckenweise auf schmalem, unbefestigtem Weg, der zahlreiche Firmenzufahrten quert. Ein Alternativweg führt durch ein Waldstück zur Sprendlinger Landstraße. Wer von der Innenstadt kommend an der Haltestelle »Bert-Brecht-Straße« aussteigt, muss zudem die an dieser Stelle fünfspurige Sprendlinger über eine Ampelanlage überqueren. Zeitweise ist diese ausgeschaltet – zum Beispiel sonntagmittags.
„Mit dem Behindertenbeirat der Stadt Offenbach haben alle Bürgerinnen und Bürger einen starken Interessenvertreter, der sich für eine selbstbestimmte Lebensführung und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Stadt Offenbach einsetzt...“, heißt es auf der Website der Stadt Offenbach.
Die Senioren vom Caritaszentrum hoffen, dass sie vom Behindertenbeirat in ihrem Anliegen tatkräftig unterstützt werden als auch Sozialdezernent Martin Wilhelm, Schirmherr des »Aktionstags Inklusion«, von der Notwendigkeit einer akzeptablen ÖPNV-Anbindung ans Caritaszentrum überzeugen können.