Offenbach/Main. Jorge Dominguez und Fairouz Idbihi vom Caritas-Migrationszentrum in Rabat sind im November nach Deutschland gereist, um mit Caritas-Kollegen Erfahrungen auszutauschen. Station machten sie auch in Offenbach, der Stadt mit Deutschlands höchstem Ausländeranteil – und mit jahrzehntelanger Kompetenz darin, Zuwanderung und Integration aktiv zu gestalten. Im Caritashaus St. Josef im Zentrum Offenbachs laufen viele Fäden der Migrationsarbeit zusammen. Anette Bacher, Chefin im Caritashaus, berichtete den Gästen aus Marokko, warum Integrationsarbeit gerade in Offenbach eine lange Tradi-tion hat und weiterhin so wichtig ist. Bacher und ihr Mitarbeiterteam stellten wichtige Best-Practice-Beispiele aus Offenbach vor. Informationen aus erster Hand über die Arbeit in den Migrationszentren Marokkos erhielten sie im Anschluss von Dominguez und Idbihi. Gäste und Gastgeber waren sich nach der Diskussion einig: „Vom grenzüberschreitenden Dialog profitieren alle.“
Warum Integrationsarbeit in Offenbach Tradition hat
Als ehemalige Arbeiterstadt hat Offenbach eine jahrzehntelange Migrationsgeschichte und traditionell einen hohen Ausländeranteil. Rund 60 Prozent der Offenbacher Einwohner hat einen Migrationshintergrund; dazu zählen auch Eingebürgerte mit ausländischen Wurzeln, die bereits in zweiter oder dritter Generation in der Stadt leben. Mit dem Niedergang der verarbeitenden Industrie seit den 1970er Jahren stieg die Arbeitslosenquote, insbesondere auch bei Nicht-Deutschen. In dieser Bevölkerungsgruppe bewegt sie sich seit 20 Jahren um die 17 Prozent. Nach wie vor ziehen viele Migranten nach Offenbach, da sie hier Familien aus ihren Kulturkreisen und die Infrastruktur einer „Arrival City“ vorfinden. Die typische Ankunftsstadt bietet günstigen Wohnraum, Straßenzüge mit kleinteiligen Gewerbeflächen und nicht zuletzt eine tolerante Atmosphäre.
Best-Practice-Projekte aus Offenbach
Das Spektrum an Integrationsprojekten reicht von frühen Erziehungs- und Bildungsprogrammen wie „ELMO – Eltern lernen mit in Offenbach“ – über allgemeine Migrationsberatung für erwachsene Neuzugewanderte oder auch aufsuchende Arbeit durch Streetworker im Projekt „InvO – Integration vor Ort“ bis hin zu arbeitsfördernden Angeboten und zu Projekten für ganze Stadtteile. Da Offenbach eine Stadt mit finanziell sehr engem Spielraum sei, setzten die Wohlfahrtsverbände beim Angebot ihrer Dienstleistungen konsequent auf Kooperation statt auf Wettbewerb, betonte Bacher. Sie machte deutlich, wie wichtig es angesichts einer hohen Zahl von Schulabgängern ohne Abschluss in Offenbach sei, Zuwandererfamilien und ihre Kinder frühzeitig an Sprach- und Bildungsangebote heranzuführen.
ELMO – Eltern lernen mit in Offenbach: Ein Angebot für die frühkindliche Erziehung
Das ELMO-Projekt setzt genau an diesem Punkt an: Geschulte „Elternmentorinnen“, die die Muttersprache ihrer Klienten sprechen, besuchen Zuwandererfamilien mit Kleinkindern einmal wöchentlich zu Hause. Sie zeigen den Eltern, in aller Regel der Mutter, eine Spiel- und Lernkultur auf, durch die sie ihr Kind auf den Kindergarten- und Schulbesuch vorbereiten können. Spielerisch werden alltägliche Sprachanlässe geschaffen, bei denen die deutsche Sprache geübt wird; sowohl vom Kind als auch vom begleitenden Elternteil. Die marokkanische Elternmentorin Haula Humoud demonstrierte gemeinsam mit Caritas-Projektkoordinatorin Nicole Horn den Gästen aus Marokko sehr anschaulich und humorvoll, wie ein solches Lernspiel zweisprachig arabisch/deutsch ablaufen kann. Ergänzend zu den Familienbesuchen findet alle zwei Wochen ein Gruppentreffen der beteiligten Familien statt. Durch den engen Kontakt zu den Familien können die Mentorinnen unkompliziert auf weitere Beratungsangebote für Migranten aufmerksam machen. Die Mund-zu-Mund-Empfehlung spielt eine wichtige Rolle; Tipps sprechen sich schnell herum und so multipliziert sich die Beratungsleistung.
Interkulturelle Kompetenz der Offenbacher Mitarbeiter
Beeindruckt zeigten sich Dominguez und Idbihi von der interkulturellen Kompetenz der Offenbacher Caritas-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nicht nur, dass einige der Projektpräsentationen in französischer und arabischer Sprache vorgestellt wurden; die Sprachkompetenz der Offenbacher Mitarbeiter kommt vor allem in der täglichen Beratungsarbeit zum Tragen. Ob arabisch, französisch, italienisch, türkisch, russisch, polnisch, rumänisch oder moldawisch – die Caritas-Berater können auf ihre Klienten häufig in der jeweiligen Muttersprache zugehen. „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen haben selbst ausländische Wurzeln und auch die Religionszugehörigkeit ist ganz unterschiedlich: katholisch, evangelisch, orthodox und muslimisch“, erläutert Bacher. Eine ideale Voraussetzung, um mit den Klienten auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen und so eine Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit zu schaffen.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Auch die Caritas-Mitarbeiter aus Marokko kennen die Herausforderung, den minderjährigen, sehr häufig unbegleiteten Migranten, die sie in den marokkanischen Migrationszentren betreuen, eine Schul- oder Ausbildung zu ermöglichen. Sie berichteten davon, dass zunehmend junge Migranten ein Leben in der Warteschleife führen, was gravierende Lücken in der Schulbildung zur Folge habe. Erschwerend komme hinzu, dass sich viele Migranten auf der Durchreise befänden, bei ungeklärtem Aufenthaltsstatus und somit ohne Bleibeperspektive in Marokko. In den marokkanischen Tageszentren für Migranten gehe es deshalb zunächst darum, den Anreisenden eine Grundversorgung zukommen zu lassen oder zu vermitteln: Essen, Unterkunft, medizinische Versorgung. Bei Bedarf auch eine psychologische Betreuung, ergänzt Mitarbeiterin Idbihi, die als Psychologin in diesem Bereich arbeitet. Je nach Dauer und Status ihres Aufenthalts kämen Bildungs- und Ausbildungsangebote hinzu.
„Es ist gut, dass sich Caritas-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter auch international austauschen. Auch bei sehr unterschiedlichen Voraussetzungen gibt es grundlegende Gemeinsamkeiten: Not sehen und Handeln“, kommentiert Caritasdirektor Bernd Bleines das Begegnungstreffen in Offenbach.
Über die Arbeit von Caritas international in Marokko
Seit Jahren gilt Marokko als Transitland für Migranten aus Subsahara-Afrika auf ihrem Weg nach Europa. Caritas international, das Hilfswerk der deutschen Caritas, unterstützt Hilfsprojekte für Migranten in Marokko. In den Städten Rabat, Casablanca und Tanger gibt es Caritas-Betreuungszentren für Migranten.
Caritas international hilft bei Naturkatastrophen und in Krisengebieten, das Überleben der Menschen zu sichern. Dabei wird vor allem mit nationalen Caritasorganisationen zusammengearbeitet. Mit sozialen Projekten unterstützt das Hilfswerk Menschen, die besonders schutzbedürftig sind: Kinder und Jugendliche, alte und kranke Menschen sowie Menschen mit Behinderung. Caritas international hilft unabhängig von der Herkunft, Religion oder politischen Überzeugung der Betroffenen.
Mehr Infos zu Beratung und Hilfe für Migranten im Caritasverband Offenbach unter
Mehr Infos zum Engagement von Caritas international in Marokko unter
www.caritas-international.de/hilfeweltweit/afrika/marokko/